PROJEKT GENERATIONENWECHSEL IM TREND
Das Wirtschaftsmagazin Trend über den Generationenwechsel bei ATZWANGER

Selbst für erfolgreiche FAMILIENUNTERNEHMEN ist der Generationenübergang eine große Zäsur und Hürde. Beim Südtiroler Wasser- und Energietechnikspezialisten ATZWANGER begleitete Family-Business-Experte Markus Weishaupt die Neuaufstellung, der sowohl Erfolgsfaktoren als auch Stolpersteine gut kennt.

Von Michael Schmid, Trend

Gleich in mehrerlei Hinsicht typisch für über mehrere Generationen erfolgreiche Familienunternehmen ist die Entwicklung von ATZWANGER, heute international gefragter Spezialist für Anlagen im Bereich Wasser-, Energie-, Abfall- und Gebäudetechnik: Luis Atzwanger startete vor rund 90 Jahren in Bozen mit einem Heizungs-, und Sanitärtechnikbetrierb - kurzum als Installateur. Dessen Söhne Peter und Paul stiegen in den 50er-Jahren nach überstandenen Südtiroler Options- und Kriegswirren in den Betrieb ein und schrieben über die nächsten Jahrzehnte eine Entwicklungs und Erfolgsgeschichte. Auch eine Internationalisierungs- und Diversifizierungsgeschichte, aber eben eine familienbetriebsspezifische, nämlich nahe am – aktuell höchst relevanten – angestammten Kerngeschäft rund um Energie und Wasser sowie organischem Wachstum in angrenzende Sparten und Expansion in geografisch benachbarte Räume. So präsentiert sich ATZWANGER heute als AG in Familienhand mit 250 Mitarbeitern, Hauptquartier in Bozen und Standorten in Norditalien, Schweiz, Österreich und Deutschland. Ein weiteres bei familiengeführten Betrieben verbreitetes Merkmal ist der Status des „Hidden Champions“: Stärker als das Unternehmen selbst sind seine Produkte, im Fall von ATZWANGER die realisierten Projekte, in der Öffentlichkeit bekannt. Kein Wunder, zählen dazu spektakuläre Anlagen wie Therme Erding und Tropical Island Wasserpark in Deutschland, die edle Thermenanlage von Vals in Graubünden, aber auch die burgenländische St. Martins Therme & Lodge, die Tauern Spa World Kaprun und die Therme Wien- Oberlaa. Den Weg in diesen Markt gebahnt  haben schon die Väter der nun auch formal an die Unternehmensspitze getretenen dritten Generation (s. Kasten rechts) mit einer findigen Idee in den 60er-Jahren: statt wie zuvor das Wasser für das Freibad Lido Bozen vom nahen, doch kalten Gebirgsfluss Eisack direkt in die Pools zu leiten, bauten sie zusätzliche Becken, in denen sich das gefilterte Wasser erwärmen konnte, ehe es neuerlich gefiltert in die Schwimmbecken floss – eine enorme Ersparnis an Heizenergie für die Stadt. „Mein Vater Paul und sein Bruder Peter haben uns damit einen Weg aufgezeigt, der bis heute unsere Handlungsmaxime ist: Wir tüfteln smarte Lösungen aus, die die Betriebskosten während des gesamten Lebenszyklus der Anlage gering halten und die Umwelt schützen“, sagt Verwaltungsratspräsident Thomas Atzwanger. Innovationskraft auf allen Geschäftsfeldern stützt sich heute neben der eigenen Expertise auf Technologiescouting im Rahmen von Partnerschaften, auch mit internationalen Konzernen, sodass von ATZWANGER projektierte und gebaute Kraftwerke, Fernwärmenetze, Abfallbehandlungs- und -verbrennungs-, Klär und Wasseraufbereitungsanlagen die immer komplexeren Anforderungen und Auflagen erfüllen.

KNACKPUNKT ÜBERGANG.

Die nun am Ruder befindliche Generation genoss eine mehr als fundierte Ausbildung und sammelte vor dem Firmeneinstieg internationale Erfahrung. Thomas, Präsident des Verwaltungsrates studierte an der Mailänder Wirtschaftshochschule Luigi Bocconi und am Insead Fontaine bleau, arbeitete für den Chemiekonzern Mondedison, McKinsey und als Private Equity-Manager. Vizepräsident und Bruder Christoph war ebenfalls am Insead sowie unter anderem für Nestlé und Arhur D. Little tätig. Beide tragen schon seit mehr als 15 Jahren Verantwortung im Unternehmen. Cousin Martin, bereits seit 1995 operativ im Familienbetrieb, verfügt ebenfalls über internationale Berater- und Managementerfahrung. Angesichts dieser geballten Expertise wundert nicht, dass man sich einig war, nun mit dem Rückzug von Senior Paul Führungsstrukturen zu öffnen und zu modernisieren sowie die Corporate Governance zu professionalisieren. Hier kommt Markus Weishaupt ins Spiel, Senior Berater und geschäftsführender Gesellschafter des auf ganzheitliche, systemische Beratung von Familienunternehmen und Unternehmerfamilien fokussierten Consulters „WeissmanInternational“. Er ist Autor von Fachbüchern über Erfolgsfaktoren und typische Fehler in Familienbetrieben (s. Kasten) sowie Urheber des „Family Business Model Tool“, weltweit das einzige Online-Analysetool für Familienunternehmen, das auf der DNA der besten Familienunternehmen beruht.

FAMILIENVERSTEHER.

„Bei der Nachfolge muss man Eigentum und Führung differenzieren. Das sind zwei verschiedene Sachen“, plädiert er für eine nicht in allen Unternehmerfamilien gerne gehörte Offenheit. „Auf die Frage: ‚Wollen Sie das Unternehmen verkaufen?‘ wurde mir schon einmal ein Mandat entzogen“, erinnert er sich leicht schmunzelnd. Das hält ihn aber nicht davon ab, für Offenheit gegenüber Beteiligungen für Fremdmanager oder Private Equity-Kapital zu plädieren. Auf jeden Fall sollte eine Familienverfassung ausgearbeitet werden, in der Regelungen für Eigentum, Führung, Fremdmanagement und Nachfolge auf einen verbindlichen gemeinsamen Nenner kommen. Weishaupt veranschlagt für den Ausarbeitungsprozess etwa drei Monate. „Bei uns waren die Schwerpunkte eine Family Corporate Governance und die Öffnung für Externe“, erklärt Thomas Atzwanger. Im Zuge dessen wurde Experte Weishaupt, dem Unternehmen seit einem Beratungsprojekt vor einigen Jahren verbunden, dort nun in den Verwaltungsrat berufen. „Die Öffnung ist auch ein Signal an Führungskräfte für interne Karriereoptionen. Dieses Bedürfnis haben wir gespürt und es wurde auch artikuliert“, so Atzwanger. „Wir wollen als Gruppe kapitalmarktfähig sein, ohne auf den Kapitalmarkt gehen zu müssen. Dazu brauchen wir auch motivierte Führungskräfte und Experten von außen“, so der Verwaltungsratspräsident, auch wenn ein signifikanter Teil der Familie unverändert weiter operativ tätig sei. „Auswahlprozesse sind für alle gleich. Kompetenz geht vor Blut“, betont er unmissverständlich. Das sei auch notwendig, um die immensen Chancen zu nutzen, die sich gerade jetzt international in Bereichen wie erneuerbare Energien, Wasser oder Abfall auftun: „Wir haben das Glück, in hochattraktiven Makrobereichen tätig zu sein. Während die Notwendigkeit der Energiewende spätestens seit dem Ukraine-Krieg fest in den Köpfen verankert ist, wird das Thema Wasser von vielen noch unterschätzt. Ich bin überzeugt, dass Wasser das nächste Erdöl wird.“ Während ATZWANGER sich genau dafür nun zukunftsfit aufgestellt hat, verabsäumen andere Familienbetriebe das laut Weishaupts Erfahrung in vielerlei Hinsicht. Konkrete Beispiele und typische Fehler aus der Praxis listet er anhand von 36 wahren Geschichten in seinem neuen Buch „Erfolgreich trotz Familie“ auf. Darin erzählt er, wie sich etwa auch 90jährige Patriarchen noch unersetzlich fühlen oder die fehlende Verschriftlichung von Rollen, Entscheidungsbefugnissen und selbst Nachfolgeregelungen unnötigem Interpretationsspielraum und in der Folge Konflikten Tür und Tor öffnen.